Branchentext des Bundesverbandes



Tiefdruckgebiet im Anmarsch?


26. September 2023 | Letztes Jahr schrieben wir an dieser Stelle noch von ersten Gewitterwolken, nachdem Russland seinen Nachbarn die Ukraine überfiel. Mittlerweile zeichnet sich ein anderes, sehr differenziertes Bild der Situation. Spricht man in den letzten Wochen mit der Händlerschaft, wird eines klar: Die aus Branchensicht rosigen „Corona-Zeiten“ sind vorbei, der Krieg und seine globalen wirtschaftlichen Auswirkungen fordern ihren Tribut. Der Leitzins scheint einen Marathon zu absolvieren. Dachte man vor 12 Monaten, der Leitzins hat sein vorläufiges Hoch erreicht, weiß man es heute besser; denn in der Zwischenzeit gab es noch weitere 6 Zinsschritte auf aktuell insgesamt 4,5 Prozent. Einen noch höheren Wert gab es zuletzt im Jahr 2000. Dies führt aktuell dazu, dass Bootsfinanzierungen erst ab 8 Prozent möglich werden bei Laufzeiten bis 15 Jahren. Zudem ist die Wirtschaftsleistung im ersten Halbjahr 2023 laut Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz um 0,3 Prozent zurückgegangen. Da es bereits im vierten Quartal 2022 zu einer Abnahme um 0,5 Prozent gekommen war, befindet sich Deutschland definitionsgemäß in einer „technischen“ Rezession.

Die FAZ beschreibt die aktuelle Lage so:

„Die schwierige Konjunkturlage in Deutschland hinterlässt immer deutlichere Spuren auf dem Arbeitsmarkt. Die Zahl der Arbeitslosen stieg im Juni. Insgesamt waren 2 555 Millionen Menschen ohne Job und damit 11.000 mehr als im Mai und 192.000 mehr als vor einem Jahr, teilte die Bundesagentur für Arbeit (BA) am Freitag mit. Die Arbeitslosenquote betrug unverändert zum Mai 5,5 Prozent, liegt aber im Vergleich zum Juni 2022 um 0,3 Punkte höher.

„Die schwierigeren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen spüren wir nun auch auf dem Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosigkeit steigt, und das Beschäftigungswachstum verliert an Schwung“, sagte BA-Chefin Andrea Nahles.

Auch ohne die Berücksichtigung ukrainischer Flüchtlinge wäre die Arbeitslosigkeit gestiegen, machte die Nürnberger Behörde deutlich. Sie griff auf Datenmaterial zurück, das bis zum 13. Juni zur Verfügung stand.“

Einer der wenigen Lichtblicke der aktuellen Situation ist die Tatsache, dass Motoren, Ersatzteile und Bauteile endlich wieder relativ unlimitiert zur Verfügung stehen und die Auftragsbücher der Werften überwiegend noch bis zum 2. Quartal 2024 ganz gut ausgelastet sind.

Die Lage normalisiert sich wieder

Um es positiv auszudrücken kann man sagen, dass nach der langen Durststrecke, wo es nahezu keine Boote verfügbar in Deutschland zu kaufen gab, das Angebot mittlerweile wieder auf Vorkrisenniveau ist. Ob Gleiter, Halbgleiter, Verdränger, ob Motor- oder Segelyachten, ob Neu- oder Gebrauchtboote, man findet aktuell wieder alle Typen sofort verfügbar im Angebot der Händler.

Die schlechte Nachricht, und an der Stelle kann man es tatsächlich sehr kurz machen: es gibt keine Bootsklasse, die aktuell besser oder gar gleich gut performt wie im Vorjahr.

Alle Bootsklassen und -typen stehen aktuell schlechter da als 2022.

Besonders bei den Einsteigerbooten bis 7,50 Meter gaben im Mai 82 Prozent der Befragten an, dass die Verkäufe unter Vorjahr liegen (auf Vorjahresniveau sind es 18 Prozent). Bei den Motorbooten bis 12 Meter sind es immer noch 67 Prozent (29 Prozent bewerten die Situation auf Vorjahresniveau), die die Situation schlechter bewerten und bei Yachten über 12 Metern immerhin noch 44 Prozent, wobei hier immerhin 12 Prozent die Situation besser bewerten als im Vorjahr.

Diese Werte jedoch scheinen sich in den letzten Wochen etwas erholt zu haben, was offenbar u.a. mit den Nebenkostenabrechnungen zu tun haben könnte, die im Verlauf des Sommers bei Vielen eingetroffen sind und doch nicht so dramatisch ausfallen, wie prognostiziert wurde. Hier geht die Kurve nach einem Tiefpunkt – zumindest vorerst – wieder nach oben.

Bei Segelbooten ist die Entwicklung ähnlich, mit einem Unterschied: In keiner der drei Bootsgrößenklassen gab es Rückmeldungen, dass die Geschäfte aktuell besser laufen als im Vorjahr. Auch nicht bei der größten Klasse über 12 Meter. Dies ist sicher u.a. darauf zurückzuführen, dass ein Großteil der Segelyachten für den Chartermarkt gekauft wird, was bei Motoryachten eher selten der Fall ist. Sind diese Segelyachten aber plötzlich 50 Prozent in der Anschaffung teurer als vor 18 Monaten und man ist nicht in der Lage, die gestiegenen Anschaffungskosten auf die Wochenpreise umzulegen, entsteht mitunter eine große Finanzierungslücke und die erwartbare Rendite „segelt“ dahin. Zeitgleich gibt es für Barvermögen wieder eine ansprechende Verzinsung. Für gut verzinste 150.000 Euro kann man gut und gerne 2 Wochen eine Yacht chartern und hat keine Arbeit und keine weiteren laufenden Kosten. Warum also kaufen? Diese beiden Faktoren bremsen den Markt der Segelyachten offenbar gerade aus, wenngleich auch hier die Auftragsbücher bis ins Jahr 2024 noch gut gefüllt sind.

Schaut man sich nun die Entwicklung der Dienstleister an, kann man es auch in Kürze zusammenfassen: Während bei Segelcharter mit und ohne Skipper alles beim Alten ist und es nach oben oder unten keine größeren Abweichungen gibt, ist die Vermietung von Hausbooten und Motorbooten nicht mehr auf dem Niveau der Spitzenjahre 2021/2022. Hier normalisiert und stabilisiert sich der Markt gerade in etwa auf dem Vorkrisenniveau. Grundsätzlich kann man aber davon ausgehen, dass das Chartergeschäft insgesamt in den nächsten Jahren wachsen wird, da sich das Urlaubsverhalten nachhaltig verändert und Deutschland-Urlaub eine immer größere Rolle einnimmt. Gleiches gilt übrigens auch für den Kanu-Bereich, der aktuell wieder auf einem soliden, aber guten Vorkrisenniveau anzukommen scheint.

Aufhorchen sollte man in den Wassersportschulen, die einen Rückgang der „Schüler“ verzeichnen. Hier ist allerdings anzumerken, dass auch hier die Jahre 2021/2022 Rekordjahre waren und es aktuell eine Normalisierung zu geben scheint. Dennoch: Eine Ausbildung ist der Beginn des Einstiegs in den Wassersport, also sollten dort die Aktivitäten wieder intensiviert werden, um neue Kunden zu begeistern. 

Die Servicebetriebe und die Marinas haben nach wie vor alle Hände voll zu tun, Lücken in Auftragsbüchern und freie Liegeplätze sind kaum bis gar nicht vorhanden. Einzig zehrt hier der Fachkräftemangel an den Reserven des Machbaren.

Zuletzt kommen wir nun zum „Sorgenkind“ der vergangenen drei Jahre, dem Tauchsportbereich. Dessen Erfolg ist traditionell sehr stark gekoppelt an den Mittelstrecken- und Fernreisebereich, der drei harte Jahre hinter sich hat. Nachdem 2022 einige Kollegen von einer besseren Situation als 2021 berichteten, ist es dieses Jahr keiner, der ein besseres 1. Halbjahr vorweisen kann. Immerhin: Nur 33 Prozent empfinden die Lage schlechter als 2022. Hier liegt noch viel Arbeit vor der Branche, die aktuellen Flugpreise werden die Situation bestimmt nicht verbessern, aber die Taucher sind eben die Taucher und haben schon manche Krise gut überwunden.

Der richtige Vergleich ist wichtig!

Zusammenfassend über alle Bereiche kann man festhalten, dass mittlerweile nur noch knapp 20 Prozent der befragten BVWW-Unternehmen die aktuelle Geschäftslage besser bewerten als im Vergleichszeitraum 2022, als dieser Wert noch bei 40 Prozent lag. Der Rückgang der Euphorie, bereits im letzten Jahr um diese Zeit, bestätigt sich zunehmend und schlägt sich jetzt auch in den Zahlen nieder. 

Wichtig aber ist Folgendes: Um einen fairen Vergleich zu ziehen, muss man wohl die Werte von 2018/2019 zu Grunde legen statt die zurückliegenden drei Boom-Jahre. Macht man dies, ist die Lage im Prinzip, bis auf wenige Ausreißer, wieder auf Vorkrisenniveau, was dazu führt, dass man wieder aktiv verkaufen muss, statt nur die Tür aufzuschließen. 

Eine Messe wie die Interboot bietet sich dafür hervorragend an, denn nirgendwo kann man so viele so schnelle Vergleiche führen wie auf einem solchen Marktplatz.

 

Pressekontakt:

Bundesverband Wassersportwirtschaft e.V.

Karsten Stahlhut

mailto: stahlhut@bvww.org     

Phone: +49 221 – 59 57 10

Gunther-Plüschow-Straße 8; 50829 Köln



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