Wassersportbranche in Zeiten von Corona

Es zieht die Menschen aufs Wasser. Davon profitieren viele Betriebe der Wassersportbranche.

Unerwartet: Boom in der Corona Krise (Pressemitteilung des DBSV)


10. September 2020 | Damit hatte niemand gerechnet, nicht einmal Wirtschaftsforschungsinstitute. Die gingen aufgrund der Corona-Krise von einer allgemeinen wirtschaftlichen Rezession aus. Aber es boomte in den vergangenen Monaten in Betrieben der Bootswirtschaft. Die mit rund vier Milliarden Jahresumsatz zählende kleine, aber feine Branche rund um Boote und Yachten hatte in der von der Corona-Pandemie erstarrten Wirtschaft und Gesellschaft eine Sonderstellung eingenommen. „Alles was schwimmt, wurde gekauft“, berichteten etwas überspitzt Firmenvertreter aus der Branche.

Was war geschehen? Durch staatliche Reisewarnungen für große Teile der Mittelmeerküste, eine nahezu beendete Kreuzfahrtsaison und die Einschränkung des Flugverkehrs, machten sich viele Deutsche auf die Suche nach einem Alternativurlaub am und auf Gewässern in der Heimat. Profiteure sind die Hersteller von Booten, Bootsausrüstung sowie von Wohnmobilen.

Christoph Steinkuhl, Geschäftsführer des Hamburger Ausrüsters mit vielen Filialen und Online-Händlers A. W. Niemeyer, bestätigt diesen Trend in einem Gespräch mit dem Internetmagazin Float. „Wir haben gut zweistellig zugelegt“, sagt er.

Als klassischem Ausrüster war es A. W. N. gelungen, als „systemrelevanter Betrieb“ das Filialgeschäft auch während des Lockdowns weitgehend offen zu halten. Online lief es ohnehin bestens. „Wir würden gerne mehr Boote verkaufen können“, sagte der AWN-Mann. Allerdings seien GFK- und Schlauchboote zurzeit so gut wie ausverkauft.

Drohten vielen Betrieben der Branche nach dem strengen Lockdown bis Ende April noch die Insolvenz, haben die Sommermonate den Ausfall vielerorts mehr als wettgemacht. Das bestätigte auch Bo Ludewig vom Kieler Zubehörhandel Aquamarin Segelsport. „Nach sehr ruhigen Monaten konnten wir auf grandiose Monate Mai und Juni zurückblicken. Da wurde alles gekauft, was man an Bord benötigt“, sagte er der bootswirtschaft. Als Kleinboothändler freute er sich besonders über die starke Nachfrage nach Jollen wie den Optimisten. „Da waren wir fast ausverkauft“, so Ludewig.

Für das Beispiel Bodensee sprach die Bootswirtschaft mit Sonja Meichle von Ultramarin Meichle + Mohr in Kressbronn: „Bei uns herrscht Hochbetrieb, weil alle Leute anscheinend Urlaub auf dem Wasser machen wollen“, sagte die Geschäftsführerin. Angezogen sind ihren Worten nach vor allem Käufe von neuen und gebrauchten Booten, aber auch die Nachfrage nach Bootsausrüstung und Charteryachten entwickelte sich positiv. Dabei wählten viele Kunden eine Bootsnummer größer, als sie eigentlich geplant hatten. „Überrascht hatte uns vor allen Dingen die große Nachfrage nach Gebrauchtbooten. Da waren wir sogar eine Zeit lang ausverkauft“, so Sonja Meichle.

Auf die Frage nach der Zukunft äußerte sich die Geschäftsführerin des Bootskonzerns vom Bodensee allerdings etwas skeptisch. „Es gibt die Befürchtung, dass die Wirtschaft im Auto-Land Baden-Württemberg im nächsten Jahr einbrechen könnte, dann würden wir auch betroffen sein“, befürchtet sie.

Allerdings zeichnen sich diese Befürchtungen noch nicht ab. Vielmehr gibt es am Bodensee stark ansteigende Zahlen von Aspiranten für das Bodenseeschifferpatent - die Lizenz, um auf dem See mit einem Boot unterwegs sein zu können. Im Auftrag des Landratsamtes Bodensee werden zurzeit zweimal pro Woche rund 200 praktische und theoretische Prüfungen abgenommen. Das sind nach Informationen des Landratsamtes 30 Prozent mehr als ein Jahr zuvor.

Zu den Profiteuren der Corona-Pandemie gehören auch Importeure und Hersteller von Stand-Up-Boards (SUP). „Ende April standen wir vor der Insolvenz“, erklärt Bernd Flügel, Chef von Water Colors aus Hof, zu denen auch die Marke F2 gehört. „Fast niemand wollte unsere Ware haben.“ Inzwischen seien SUP-Boards so rar, dass Familien von München bis nach Hof fahren, um überhaupt ein Brett zu ergattern.

Der gute Verkauf werde über das Saisonende hinaus bis Weihnachten anhalten, rechnet die gesamte Branche. Nach 65.000 verkauften F2-Boards im Vorjahr war die Prognose auf 70.000 angehoben worden. Um die rapide gestiegene Nachfrage zu befriedigen, wurden aus den sieben Produktionsstätten in China allein 16 Container per Luftfracht eingeflogen. Bernd Flügel erklärt: „Jetzt werden es 120.000 Boards und das beste Geschäftsjahr zeichnet sich ab.“

Von einem sprunghaften Anstieg der Umsätze nach der Wiederöffnung der Marinas und der Werften Ende April berichten auch die Großhändler für Boots- und Yachtausrüstungen Robert Lindemann KG und Hermann Gotthardt GmbH, beide in Hamburg ansässig. Jan Lindemann, Inhaber der Robert Lindemann KG: „Den starken Nachfrageeinbruch im Frühjahr konnten wir in den letzten Monaten ausgleichen. Wir gehen davon aus, dass immer mehr Eigner ihre Boote mit hochwertiger Ausrüstung bestückten und dass neue Bootseigner dazugekommen sind.“

Finn Möller, Geschäftsführer der Hermann Gotthardt GmbH: “Wir hatten nach der fast eingeschlafenen Nachfrage im März und April nicht damit gerechnet, dass es mit dem Umsatz wieder so stark aufwärts gehen würde. Nach der durch Corona bedingten späteren Öffnung der Marinas ging es jedoch sprunghaft bergauf. Dazu kam noch, dass das gute Wetter im August für eine starke Nachfrage bei unseren Kunden, den Werften, führte.“ Allerdings heißt es jetzt nach seinen Worten vorsichtig zu agieren, denn niemand weiß, wie es weitergeht.

Richard Gründel von der Firma Gründel Bootsimport GmbH & Co. KG. geht davon aus, dass trotz der Corona-Pandemie sein Betrieb auf einen ähnlich hohen Umsatz wie im Vorjahr kommen wird. „Nach der Schockstarre durch den Lockdown waren wir von der dann folgenden Nachfrage etwas überrascht“, sagte er der bootswirtschaft. Durch das umfangreiche Neubootangebot - im Segelyachtbereich Jeanneau und Storm und bei den Motorbooten Jeanneau, Prestige und Delphia - konnte Gründel viele Kundenwünsche erfüllen. Sehr gut hat sich nach Worten von Richard Gründel auch das Gebrauchtbootgeschäft entwickelt. „Wir suchen sogar gute Boote für Kunden“, sagte er. In Sachen Zubehör bemerkt man bei Gründel eine etwas schwächere Nachfrage nach Bordelektronik. Das wird auf die verzögerte Saison geschoben. Dagegen lief das Geschäft mit herkömmlicher Bootsausrüstung sehr gut, was man auf viele neue Boote und Eignerwechsel bei Booten aus zweiter Hand zurückführt.

Ich hoffe, dass es so erfolgreich weitergeht”, sagt Henning Mittelmann von der Kappelner Mittelmann’s Werft. Sein Betrieb bietet neben Service und Werftarbeiten, Liegeplätze, sowie im Neubootgeschäft die Segelbootmarken J-Boats und Sunbeam sowie im Motorbootsegment Boote der finnischen Sargo-Werft an. Der Werftchef freut sich besonders über das stark angestiegene Geschäft mit Booten und Yachten. Und auch darüber, dass fast alle Gebrauchtboote aus seinem Angebot verkauft wurden - sogar hochpreisige Yachten. „Wir haben festgestellt, dass die Bootseigner es gerade in Corono-Zeiten genießen, ohne irgendwelche Beeinträchtigungen aufs Wasser zu können“, sagte er der Bootswirtschaft.

Über stark steigendes Interesse an Motor- und Segelbooten konnte man sich auch beim Yachtzentrum Damp in Schleswig-Holstein freuen. Wir sind zwar im Angebot segelbootlastig, aber alles was gut funktionierte und schwimmt ging nach Worten des Geschäftsführers Thomas Bohrer gut. Auf dem Niveau des Vorjahres blieb nach seinen Angaben der Service- und Werftbereich des Yachtzentrums. „Wir waren als Handwerksbetrieb im Frühjahr von der Corona-Krise weniger betroffen“, sagte er. Wie weitere Werftbetriebe mit eigenen Liegeplätzen, wie beispielsweise die Yachtwerft Klemens in Großenbrode bei Fehmarn, gab es kaum Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie. „Wir konnten im Frühjahr während des Lockdowns alle Boote slippen, allerdings ohne Beisein der Eigner“, sagte Werftchef Thomas Schwarz.

Vom Boom profitiert hatten Ausrüstungsproduzenten wie die Firma Secumar. Neubootkunden, vor allen im Bereich von kleineren Motorbooten und Angelbooten, hatten dafür gesorgt, dass man im Bereich der kostengünstigen Rettungswesten beim Rettungsmittelhersteller fast ausverkauft war. „Ob Feststoffwesten oder preisgünstige Automatikwesten, es gab bei uns erstmals Lieferzeiten von einigen Wochen“, so Benjamin Bernhardt, Geschäftsführer von Secumar. Er führt den Boom allerdings nicht nur auf viele neue Einsteiger in die Bootswelt zurück, sondern auch auf Schwierigkeiten von Mitbewerbern durch Corona bedingten, eingeschränkten Lieferketten.

Wie wird es weitergehen mit der Bootsbranche?

Es gibt wie immer mehrere Möglichkeiten. So prognostizierte das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München noch Ende Juli einen starken wirtschaftlichen Aufschwung für die zweite Hälfte des Jahres. Für das vierte Quartal werden 3,8 Prozent plus erwartet. Wenn das auch für die Bootsbranche zutrifft, können viele Betriebe beruhigt in die nahe Zukunft sehen

Allerdings wird sich die Wirtschaftskraft der Firmen erst im nächsten Jahr zeigen. Viele Unwägbarkeiten wie ein zweiter Lockdown, Insolvenzen, geändertes Kaufverhalten durch Sparzwänge kommen zusammen und auch der bevorstehende Brexit. Darüber hinaus lassen globale Handelskonflikte und damit verbundene Währungs-Turbulenzen eine fundierte Aussage nur schwer zu.

Dazu kommt noch, dass Betriebe, die ihr Geld international verdienen, unter der wirtschaftlichen Schwäche anderer Länder leiden könnten.

Bei der größten Yachtwerft in Deutschland, der Bavaria Yachts in Giebelstadt bei Würzburg, sieht man dagegen eher optimistisch in die Zukunft. Nicht nur die Produktion von Segel- und Motoryachten lief bis zur Sommerpause im August trotz aller Einschränkung durch die Corona-Pandemie auf Hochtouren. Auch das Entwicklungsteam der Werft gönnte sich keine Pause.

Grund für die Geschäftsführung für eine ungewöhnliche Danksagung- ein weiterer Aspekt in unsicheren Corona-Zeiten. „Unsere Mitarbeiter leisten trotz der Corona Krise Unglaubliches. Trotz aller Schwierigkeiten sind sie jeden Tag in der Werft und geben alles“, schreiben CEO Michael Müller und COO Jens Abromeit auf der Werft-Homepage. Und weiter: „Danke sagen deshalb unsere Händler in der ganzen Welt und danke wollen auch wir unserem Bavaria-Yachts-Team im Werk sagen.“

 



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