Bootsbranche blickt mit wachsendem Trend zur Nachhaltigkeit gespannt in die Zukunft

Kapital für Freizeitsport weiterhin vorhanden – Normalisierung der Geschäfte – Alternative Brennstoffe warten auf Durchbruch

In der Wassersportwirtschaft normalisieren sich die Geschäfte mit der Saison 2023 drei Jahre nach dem Ausbruch des Corona-Booms weiter. Die befürchtete Flaute in Folge von hoher Inflation und finanzieller Verunsicherung der Kundschaft blieb bisher weitgehend aus. Darin war sich das Podium beim Branchengespräch der Interboot am Dienstag, 26. September, einig. Auch die Geschäfte auf der Internationalen Wassersport-Ausstellung, die noch bis zum 1. Oktober läuft, verliefen für die meisten der 352 Standbetreiber positiv. Die Gesprächsrunde begrüßt den wachsenden Trend zu mehr Nachhaltigkeit und diskutierte die Verfügbarkeit von alternativen Brennstoffen.

„Das Geld sitzt beim Publikum nicht mehr so locker, aber zahlreiche Ausstellende haben uns von guten Gesprächen mit einer ausgesprochen fachkundigen Besucherschar berichtet sowie auch bereits von konkreten Abschlüssen“, sagte Interboot-Projektleiter Felix Klarmann. Dem pflichtete Sonja Meichle als Geschäftsführerin von Ultramarin Meichle + Mohr bei, deren Stand in der Halle A3 zum Messeauftakt wie immer ein Magnet war. „Eine gewisse Zurückhaltung ist unverkennbar“, so Meichle. Der von einigen Marktteilnehmern im Vorjahr befürchtete Absturz sei aber eher eine gesunde Konsolidierung. „Teils unverschämte Preiserhöhungen rächen sich jetzt, solche Produkte werden Ladenhüter“, ergänzte die Vizepräsidentin des Bundesverbands Wassersportwirtschaft (BVWW).

BVWW-Geschäftsführer Karsten Stahlhut brachte aus Köln aktuelle Zahlen und Entwicklungen des Branchenbarometers mit. Der bundesweit leichte Rückgang der Wirtschaftsleistung mache sich auch in der Freizeitbranche bemerkbar. „In allen nach Bootslänge gestaffelten Kategorien beklagt die Mehrzahl der befragten Unternehmen einen schlechteren Absatz als im Vorjahr und da machen Segel- und Motoryachten keinen Unterschied“, berichtete Stahlhut. Am größten sei der Druck bei den kleineren Einheiten bis 7,50 Meter, während die Situation ab zwölf Metern aufwärts noch am positivsten sei. Ein Hoffnungsschimmer zeichnete sich zuletzt im Spätsommer ab, als die Umsätze bei etlichen Firmen anzogen.

Den vielerorts beklagten Fachkräftemangel wollte Karsten Timmerherm als Vorsitzender des Verbands der Bodenseewerften nicht gelten lassen und bezeichnete ihn als hausgemacht. „Wer einem Bootsbauer nur knapp über Mindestlohn bezahlt, muss sich nicht wundern, wenn der zu einer Möbeltischlerei abwandert.“ Bei der Michelsen-Werft von Timmerherm wird aktuell die historische Segelyacht ARGO restauriert, die auf der Interboot zu sehen ist.

Ähnlich ist die Situation bei Markus Boesch im gleichnamigen, eidgenössischen Werftbetrieb, der elegante Motorboote fertigt. Die Auftragslage sei weiter gut. „Die Luft aus der Corona-Blase musste raus und ist raus“, erklärte Boesch auch als Vorstandsmitglied des Schweizerischen Bootsbauer-Verbands (SBV). Manches Mitglied habe vor lauter Euphorie das Kalkulieren vergessen. Kostenrechnung und Preisfindung passten oft nicht zueinander. Kapital sei indes bei den Eignern nach wie vor vorhanden, und es werde auch für den Freizeitsport ausgegeben. Der SBV beklagt im Zuge des zweifelsfrei notwendigen Wandels zu mehr Nachhaltigkeit für den Klimaschutz und die erforderliche Reduzierung der CO2-Emissionen eine damit einhergehende Verbotspolitik, die sich weder an sinnvollen technischen Lösungen noch an Machbarkeit orientiere. Sperrgebiete, die den Wassersport ausschließen, orientierten sich ebenso wenig an den Bedürfnissen der Menschen, wie drastische Forderungen nach Geschwindigkeitsbeschränkungen, nicht zuletzt auf dem gesamten Bodensee, oder ein vorschnelles Aus von Verbrennungsmotoren.

Genau für diese gibt es bereits saubere Alternativen, nämlich synthetische Kraftstoffe. Johannes Hage von der Kemptener Präg-Gruppe berichtete aus dem eFuels-Forum von rund 50 mittelständischen Unternehmen, die sich für non-fossile Brennstoffe zur Reduktion des klimaschädlichen CO2-Ausstoßes stark machen. Dabei sei der zum Beispiel aus gebrauchtem Frittierfett aufbereitete Klimadiesel (HVO) längst marktreif und könnte von jedem Bootsmotor ohne Einschränkung verwendet werden. Allerdings gibt es so gut wie keine Yachttankstellen, die diesen Diesel anbieten. Während die Betreiber an den Straßen noch auf eine überfällige Zulassung durch die entsprechende DIN (Norm) warten, nutzen das die Deutsche Bahn und andere längst. Auch aus dem Zapfhahn der Ultramarin Marina in Kressbronn fließt seit diesem Jahr nichts anderes. „Das war für uns eine einfache wie selbstverständliche Möglichkeit, etwas für die Umwelt zu tun“, erklärte Sonja Meichle. Der Literpreis sei zwar wegen der vollen Mineralölsteuer etwas höher als vorher, aber die etwas höheren Betriebskosten nicht eins zu eins umgelegt.

Vorteile des Klimadiesels: Ärgerliche Dieselpest durch die Beimischung von Biodiesel in den herkömmlichen Sprit ist passé, was die Segelyachtskipper begrüßen. Noch geduldig muss auf die Lieferbarkeit von E-Fuels, die mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und CO2 aus der Luft hergestellt werden und somit Emissionsfrei sind, gewartet werden. Gleichwohl könnten diese durch den Einsatz von Solar- und Windenergie vor allem in sonnenreichen Regionen der Erde in ausreichenden Mengen produziert und auch nach Europa geliefert werden, erläuterte Johannes Hage.

Ein Leuchtturmprojekt der Nachhaltigkeit präsentierten Simon Licht und Holger Ambroselli beim Branchengespräch. Als die Schulfreunde vor zwei Jahren „einfach nur möglichst klimaneutral segeln gehen wollten“ und daran scheiterten, wurde Khulula geboren. Das Start-up ließ in Wilhelmshaven acht Eco-Optimisten aus Flachsfasern und Bioharzen bauen. Der CO2-Fußabdruck war dabei 70 Prozent geringer als bei herkömmlich GfK-Optis. „Die wiederum werden irgendwann Sondermüll, während unsere zu 90 Prozent recycelbar sind“, so die Gründer. Auch wenn es bis zu einem flächendeckenden grünen Bootsbau sicher noch ein weiter Weg sein dürfte, erntete die Initiatoren auch von Branchenkennern viel Zustimmung. Der stärkste Rückenwind weht von renommierter Stelle: Der Eco-Optimist wurde als erstes Boot überhaupt für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Sport nominiert, der im November vergeben wird. „Nachhaltiges Denken macht Schule, aber wir müssen endlich auch danach handeln“, forderte Schauspieler und Unternehmer Simon Licht, „denn wir haben nur einen Planeten, den wir für die Zukunft unserer Kinder und Enkel vor dem drohenden Kollaps schützen müssen.“

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